Donnerstag, 14. April 2016

Wer neue Antworten will, muss neue Fragen stellen

Im Profil: Markus Schwemmle

Sein Credo: Menschen dort abholen, wo sie stehen

Sein Geheimnis: Immer wieder Lernfelder schaffen, die neugierig und Lust aufs Experimentieren schaffen


Starke Metaphern nutzen:
Markus Schwemmle veranschaulicht das Bergsteiger-Modell



"Wer neue Antworten will, muss neue Fragen stellen", sagte einst Goethe. Und da gebe ich ihm Recht. Deswegen portraitiere ich die Menschen, mit denen wir es während unseres Curriculums "Systemische Organisationsentwicklung und Changemanagement" zu tun haben anhand von Fragen. Dieses Mal Markus Schwemmle, der uns nach dem Baustein 1 "Systemische Kompetenzen im Veränderungsprozess" auch den Baustein 3 "Diagnose, Architektur und kulturorientierte Organisationsentwicklung" nahe gebracht hat. Also 10 Fragen - 10 Antworten. 
Sie veranstalten Anfang Mai in München den Biographiefaktor-Kongress. Eine zentrale Aussage lautet: "Wie unser Lebensweg beeinflusst, was wir werden." Was an Ihrem Lebensweg hat darauf hingedeutet, dass Sie heute Lehrtrainer am isb sind?

Mein erstes Coaching fand im Alter von fünf Jahren statt. Einer meiner Freunde, zwei Jahre jünger als ich, sprach nicht. Und ich habe diesen Druck gespürt, der auf ihm lastete, das Drängen und die Ungeduld seiner Eltern. Druck und nochmals Druck und der Junge bekam kein Wort heraus. Das wollte ich ändern und so nahm ich mir vor zu intervenieren. Wobei ich das als Kind natürlich nicht so bezeichnet habe. Ich wollte ihm ganz einfach dabei helfen, mit dem Sprechen zu beginnen. 
In der Langform ist diese Geschichte übrigens unter dem Titel "Mein erstes Coaching im Alter von 5 Jahren" in Markus Schwemmles Blog nachzulesen.
Mit Menschen zu arbeiten und Impulse zu geben, war meine innere Triebfeder.

Da lag ein Psychologie-Studium nahe.
Eigentlich ja, aber manchmal führt ein Umweg zum Ziel. Bei der Berufsberatung in der Abi-Klasse kamen die Berater aufgrund meiner Leistungskurse Mathe und Englisch erst einmal auf Lehramt. Als ich dann sagte, ich würde gerne etwas mit "Umwelt" machen, rieten sie mir zum Chemie-Ingenieur, womit ich dann auch anfing. Aber das war überhaupt nicht das meine. Nebenbei ließ ich mich beim Roten Kreuz ausbilden und hatte einen Ausbilder, der mir die Welt ganz neu erklärte. Auch die Berufswelt. Und er riet mir zu einem Studium der Psychologie. Das würde meiner Art zu denken und in Zukunft denken zu wollen entgegen kommen.

Erste Hilfe auch bei der Lebensplanung sozusagen. Haben Sie diese befolgt?
Mit diesem Rat und meinem Studienwechsel war auf einmal die innere Handbremse weg. Ich hatte etwas, das mich begeisterte und mit dem ich begeistern konnte. Vor allem als ich einen Praxis-Workshop ins Leben rief und Praktiker an die Uni einlud, die zu einer Frage Auskunft gaben: "Wie wurden Sie, was Sie jetzt sind." Spannende Lebenswege wurden uns Studenten da vorgestellt, aufregende Biographien, entscheidende Etappen. Und häufig wurde von den Vortragenden das Institut für Systemische Professionalität genannt. Also war klar, dass ich das kennenlernen wollte. 

Was war das Besondere am isb?
Der Ansatz des Systemischen hat mein Leben komplett verändert. Durch multiple Perspektiven auf die Welt zu blicken, erweitert den Blick und macht mich zu dem, was ich bin.





Vor zehn Jahren haben Sie system worx gegründet, Sie beraten internationale Konzerne wie Siemens bei Entwicklungsprozessen und geben Ihr Know-how als Lehrtrainer am isb weiter. Wie verstehen Sie Ihre Rolle als Lehrtrainer?
Ich stelle mir immer wieder die Frage, wie ich jeden da abholen kann, wo er gerade steht, wie ich ihn besser machen kann, indem ich ihm helfe, das zu entdecken und zu integrieren, was er braucht. Daher bezeichne ich meine Rolle als Lernbegleiter und versuche konstruktive Lerngelegenheiten zu schaffen. Durch meine intensive Beratungs- und Coachingexpertise kann ich anhand konkreter Beispiele vermitteln, wie sich Change in der Arbeitswirklichkeit gestalten lässt. 

Was macht Ihrer Erfahrung nach eine gute Lerngelegenheit aus?
Das fängt mit gegenseitiger Wertschätzung an, mit einem guten Kontakt, das das, was entsteht, auch angenommen werden kann. Ich will neugierig machen, zum Experimentieren einladen, den Blick nicht auf "richtig" oder "falsch" lenken, sondern immer wieder auf eine Metaebene, vor der aus klar wird, was sinnstiftend ist. 

Wie lernen Sie persönlich am besten?
Ich habe mir Lernfelder geschaffen, in denen ich im Kreis von Peers lustvoll Neues entdecken kann. Diese neuen Impulse verarbeite ich dann im Auto oder auf Bahnfahrten, indem ich mir Audios anhöre. Zu einem gewissen Grad bin ich Autodidakt und Student geblieben, immer neugierig, was gedacht und gemacht wird.

Der Biographiefaktor-Kongress thematisiert das "Wo komme ich her?" ebenso wie das "Wo will ich hin?". Was sind Ihre Ziele?
Change-Management als umsichtiges, kristallisierendes Vorgehen, als freilandtaugliche Entwicklung unter Berücksichtigung der Ressourcen und Reifegrade der Akteure, als Möglichkeit Entwicklungen mit anzustoßen, die Zusammenarbeit heute und morgen prägen, all das ist für mich eine spannende, lohnende Aufgabe. Da fühle ich mich lebendig, präsent, erlebe das, was Neudeutsch als "Flow" bezeichnet wird, als Einssein mit der Aufgabe. Ich will weiterhin nah an den Themen dran sein, eine gute Beziehung zu den Teilnehmern in den Curricula knüpfen und Impulsgeber sein.

Wenn man den Berufsweg mit einer Bergtour vergleicht: Wo am Berg sehen Sie sich jetzt?
Ich bin mitten drin, wobei ich nicht auf einen einzigen Berg steige, sondern eher die Alpen überquere. Manchmal kostet ein steiler Pass viel Kraft, belohnt einen dafür mit einem Wahnsinns-Panorama. Immer wieder kann man auf einer Berghütte verweilen, Kraft sammeln zum Weitergehen. Und ab und zu ist auf der Strecke bereits die Adria in der Ferne zu sehen.


In der Bergsteiger-Metapher geht der Berater
mal hinter, mal vor und mal neben dem Fragesteller
Sind Sie allein am Berg?
Nein, es gibt viele, die mit mir gehen. Der wichtiges Weg- und Lebensbegleiter ist meine Frau. Unser Leitspruch lautet: Gemeinsam in dieselbe Richtung blicken. Wir stärken uns und erweitern unsere Perspektiven. Und wir werden von vielen anderen begleitet. Beruflich und privat, denn aus vielen Kollegen wurden Freunde. 

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