Dienstag, 10. Mai 2016

Schneller, stärker ... anstrengender

Was gelernt: Ich bin nicht nur OK, wenn ich schnell bin

Wie persönliche Antreiber Persönlichkeits- und Beziehungsdynamiken gestalten und warum Erlauber neue Handlungsperspektiven ermöglichen


Im Baustein 4 des Curriculums Systemische Organisationsentwicklung und Changemanagement macht es bei mir Klick. Also nicht hörbar, aber für mich durchaus spürbar. Auslöser ist das Konzept des Antreibers. Ursprünglich entwickelt für den therapeutischen Bereich wurde es von Bernd Schmid auf die systemisch beratende Arbeit übertragen und um die Kontext-Perspektive erweitert. Denn niemand steht ständig unter dem Einfluss von Antreibern, aber sie steuern Menschen in bestimmten Situationen und bestimmten Menschen gegenüber. Diese Kontextunterschiede geben, laut Bernd Schmid, wichtige Hinweise für die Diagnose und Interventionen im Coaching (super einleuchtend beschrieben im Artikel "Antreiber-Dynamiken - Persönliche Inszenierungsstile und Coaching"). 

Antreiberdynamiken

Der Psychologe Dr. Taibi Kahler unterscheidet fünf Antreiberdynamiken (lesenswert dazu der Artikel von Taibi Kahler "Proces Model: Persönlichkeitstypen, Miniskripts und Anpassungsformen)
  1. Ich bin OK, wenn ich perfekt bin.
  2. Ich bin OK, wenn ich stark bin.
  3. Ich bin OK, wenn ich gefällig bin, es anderen recht mache.
  4. Ich in OK, wenn ich mich anstrenge.
  5. Ich bin OK, wenn ich mich beeile.
Unsere Lehrtrainerin Irmina Zunker füllt diese Antreiber für uns und mit uns mit Inhalten, was die Aufzählung um Stärken und Defizite erweitert. Und zusätzlich führt sie die "Erlauber" ein, die in der Transaktionsanalyse als positive Intervention entwickelt wurden. Sie sind sozusagen die Umkehrung der starren Glaubenssätze, ein Angebot, das die Kraft und die Tugend des Antreibers wertschätzt, gleichzeitig die Ausschließlichkeit relativiert und Handlungsalternativen ermöglicht.  



Ich bin OK, wenn ich perfekt bin. 

Menschen in dieser Dynamik versuchen Dinge immer noch genauer und besser zu machen, sie haben 0,0 Fehlertoleranz. Was für Piloten oder Fluglotsen durchaus sinnvoll ist, allerdings im "normalen" Berufs- wie sozialen Umfeld zu einem defizitären Gefühl des Nichtgenügens beim Gegenüber führen kann. Ein möglicher Erlauber wäre hier: Du darfst Fehler machen und daraus lernen.

Ich bin OK, wenn ich stark bin. 

Ja keine Gefühle zeigen, zeichnet diesen Typen aus, alles kontrollieren und mit jedem konkurrieren. Menschen mit dieser Dynamik können situativ enorm hohe Leistungen erbringen, sie besitzen Kampfgeist und Widerstandskraft, bringen Dinge voran, wirken aber oft sehr anstrengend und befremdlich. Ein möglicher Erlauber wäre hier das Vertrauen zu stärken, das Vertrauen darauf, dass man bei nahestehenden Menschen durchaus Gefühle zeigen darf.

Ich bin OK, wenn ich es allen recht mache. 

Die Bedürfnisse der anderen sind entscheidend und jeder Konflikt ist unbedingt zu vermeiden, das sind zwei der Charakteristika dieser Dynamik. Was zu hoher Empathie führt und damit zu einer sozialen Rolle befähigt, aber auch zu Konturlosigkeit und bisweilen zu Minderwertigkeitsgefühlen. Was helfen kann, ist der Erlauber: Du darfst deine eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und du darfst dich zumuten.

Ich bin OK, wenn ich mich anstrenge

"Im Schweiße Deines Angesichts" ist ein Sprachbild, das diese Dynamik ausdrückt. Streng-dich-an-Menschen messen ihren Erfolg am Schwierigkeitsgrad und an der Mühe, die sie aufwenden müssen. Ihre Ressource ist eine enorme Belastbarkeit, ihr Risiko, dass sie sich in der Mühsal verlieren und auf andere blass und überfordert wirken. Als Erlauber wirkt hier: Etwas darf dir leichtfallen, ich habe Vertrauen in deine spontane Leistungsfähigkeit.

Ich bin OK, wenn ich schnell bin

Gelassenheit hat für Menschen in dieser Dynamik den Beigeschmack von Trägheit, Ruhe erscheint als Verrat an der Dringlichkeit. Denn alles muss sofort und möglichst schnell erledigt werden. Wie gesagt "alles" muss sofort und möglichst schnell erledigt werden, ohne Gewichtung oder Priorisierung. Auf andere wirkt das Verhalten hektisch, löst Stress aus. Dabei können derartige Beeil-dich-Menschen kurzfristig auf hohem Aktivitätsniveau leistungfähig bleiben. Erlauber sind hier Zusagen wie "Du darfst dir Raum und Zeit nehmen", "ich höre dir zu". Diese Erlauber können helfen aus der Dynamik eine Tugend zu entwickeln. 

Die Antreiber-Dynamiken verstärken sich in Belastungs- und Stresssituationen und beeinflussen (meist unbewusst) das Umfeld, also die Reaktion anderer. Und genau das war der Moment, in dem es bei mir Klick gemacht hat. Mehr dazu in Kürze. 

2 Kommentare:

  1. Ja, ja, die Antreiber: Immer versuchen sie dich in die Falle zu locken. Gut, wenn man sich ihrer bewusst ist. Es lebt sich dann sehr viel besser mit ihnen, habe ich festgestellt.

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    1. Stimmt, liebe Claudia. Dass Du schon ein ganzes Stück weiter bist als ich (nicht nur) in Sachen Antreiber ist mir schon mehrfach aufgefallen. Und ich profitiere davon :-) Denn ich lerne ja leidenschaftlich gerne dazu

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