Mittwoch, 17. Februar 2016

Fragen über Fragen

Journalismus meets Systemische Beratung. Denn Fragen und damit Fragetechniken sind in beiden Professionen entscheidend oder wie erfahrene Ärzte wissen: Fragen sind die beste Medizin 


Bei der Arbeit: Fragen und lösungsorientiert nachfragen
Ich schreibe jetzt seit 15 Jahren vornehmlich für und über Patienten. Wobei das Wort "Patient" mir nicht so recht passend erscheint, stammt es doch von patiens = erleidend, erduldend, ertragend ab. Ich schreibe vielmehr für Menschen, die mit einer Diagnose leben müssen. Und für viele wandelt sich dieses Müssen in ein Können. Sie können unter veränderten, ganz neuen Umständen ihr Leben leben. Genau das halte ich in Interviews, Portraits, Reportagen, Blogs fest. Und bin jedes Mal von Neuem überrascht, wie nah mich diese Menschen an ihre Sorge, Ängste, Träume, Hoffnungen, ihren Alltag kommen lassen. Wie ich das mache? Ganz einfach über Fragen. Fragen, die echtes Interesse signalisieren, Zeit lassen, Wertschätzung schenken. Und genau daran erinnern mich die Fragetechniken, die ich während des Curriculums Systemische Organisationsentwicklung und Changemanagement kennenlerne.

Und weil ich das so spannend finde, fasse ich hier die zentralen Fragetechniken zusammen. Natürlich ohne Garantie auf Vollständigkeit. Immerhin stehe ich in Sachen Beratung ganz am Anfang, auch wenn ich bei journalistischen Fragen auf jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen kann. Und weil ich ein durch und durch praktischer Mensch bin, übertrage ich das gleich auf einen konkreten Fall: Eine gute Bekannte von mir, die sich Frühling für Frühling mit Diäten quält, um ihrer Bikini-Wunschfigur nahezukommen, und doch konstant eher zu- statt abnimmt. Welche Fragetechniken könnten sich also als nützlich erweisen, damit diese Bekannte aus dem unseligen Jo-Jo-Effekt-Kreislauf aussteigen kann?

Systemisch-lösungsorientierte Fragetechniken:


Grundlegende Fragen
  • Zirkuläre Fragen: "Was würde dein Mann sagen, warum du hier bist?", "Was könnten deine Freundinnen antworten?"
  • Und-was-noch-Fragen: "Du willst aus dem Kreislauf von Ab- und Zunehmen aussteigen. Und was willst du dadurch noch erreichen?"
  • Reframing: Neue Worte schaffen neue Gefühle
Im Verlauf des Gesprächs
  • Eröffnungsfrage: so banal es klingen mag, vermittelt die Frage "Was führt dich her?" Interesse
  • Zentralfrage: "Woran wirst du merken, dass sich unser Gespräch lohnt? Was wirst du anders machen, wenn du dein Ziel erreichst?"
  • Bewältigungsfrage: "Wie hast du es geschafft, den Jo-Jo-Effekt so lange auszuhalten? Welche Kräfte hast du mobilisiert, um dich immer wieder für eine Diät zu motivieren?"
  • Skalierungsfrage: "Auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 1 sehr unzufrieden mit deiner Figur und 10 sehr zufrieden bedeutet, wo würdest du dich momentan einordnen?"
  • zirkuläres Skalieren: "Wenn ich jetzt deinen Mann fragen würde, auf welcher Stufe würde er dich einordnen?"
  • aufbauende Frage: "Was wäre für dich anders, wenn du anstelle von 3 bei 5 stehen würdest?"
  • Ressourcensuche: "Was sind deine besten Eigenschaften?", "Was zeichnet dich aus?"
  • Fortschritts-Fragen: "Du bist dir darüber bewusst geworden, dass du aufhören willst mit den ständigen Diäten. Wann sind für dich deine Ziele erreicht?"
  • Wofür-ist-das-gut-Fragen: "Wofür ist es gut, dass du jeden Frühling den Vorsatz hast, aktiv etwas für dein körperliches Wohlergehen zu tun?"
  • Fragen nach Ausnahmen: "Kann es sein, dass du dich auch wohl in deinem Körper fühlst? Wann ist das? Und wie war dieses Gefühl?"
  • operationales Nachfragen: "Was wirst du als erstes tun, um deinem Ziel näher zu kommen?"
Und da meine Bekannte eine "Wiederholungstäterin" in Sachen Diäten ist, beispielsweise einen Monat lang Nudeln, Kartoffeln, Reis, Brot meidet wie der Teufel das Weihwasser, um sich nach diesem Monat, um 3 bis 4 Kilo leichter, auf wahre Berge von Pasta & Co zu stürzen und dann an sich und vor allem der Welt zu verzweifeln, rechne ich mit Widerstand. Also rekapituliere ich die Fragen in festgefahrenen Situationen

  • Hypothetische Frage / Wunderfrage: "Was wäre, wenn dir Süßigkeiten nicht mehr schmecken würden?", "Wenn du über Nacht deine Wunschfigur hättest, woran würdest du am nächsten Morgen merken, dass ein Wunder geschehen ist?"
  • Verschlimmerungsfrage: "Was würde passieren, wenn du weiter Diäten machst und zunimmst, ohne deine grundlegenden Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten zu ändern?"
  • Externalisierungsfrage: "Stell dir vor, es gibt zwei von dir: einmal die, die sich zu dick fühlt, und einmal die, die sich wohl in ihrem Körper fühlt. Was würde die Zufriedene anders machen als diejenige, die sich zu dick fühlt?"
  • Immunisierungsfrage: "Aus deinen Schilderungen kann ich heraushören, dass du bereits viele Probleme im Leben gelöst hast. Was hast du damals getan, um das Problem zuzugehen?"
  • Verflüssigungsfrage: Das probate Mittel gegen Verallgemeinerungen, also die Antwort auf die immer wiederkehrende Feststellung "Alle können so viel essen wie sie wollen, nur ich nehme allein schon beim Betrachten von Essen zu....": "Wann war das so?", "Wann stellst Du fest, dass Du zunimmst?"

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